kurz vor einem Seenotfall auf dem Nordatlantik
Im Juni/Juli 1993 wurde ich von dem Eigner einer Segelyacht (Wauquiez 34) eingeladen als Navigator und Wachführer seine Yacht
von Island über die Westmännerinseln, Faröer, Shetlands, und Schottland nach Friesland (Niederlande) zu überführen.
Auf unserer zweiten Etappe von den Westmänner-Inseln zu den Faröern gerieten wir in einen Sturm.
Nachfolgend einen Auszug der Etappe Westmännerinseln zu den Faröern.
Bei bis zu 10 Bft liefen wir den Sturm raumschots ab. Die Schiffsbewegungen waren so heftig wie ich es noch nie erlebt hatte.
Wir wurden mehrmals quer durch den Salon und Deckshaus geschleudert.
Am Naviplatz und vor der Küche konnten wir nur mit Gurtsicherung arbeiten. Nahrungsaufnahme war nur mit einer Hand möglich.
Vom Wellenkamm aus fiel die Yacht in das nachfolgendes tiefe Wellental sodass Gegenstände, die vermeintlich sicher
in einem Regal mit hohem Bord abgelegt waren, herauskatapultiert wurden.
Nach mehreren Stunden segeln im Sturm und waren dabei weit von unserem Kurs abgekommen, sodass der Skipper beidrehen ließ.
Beigelegt verhielt sich die knapp 10,5 m lange Yacht mit Kurzkiel und Ruderanlage mit Skeg vorbildlich.
Zum Beiligen mussten wir die Fock mit der Rollreffanlage auf die richtige Größe einstellen. Dabei verklemmte sich die Reffleine
vor der Refftrommel.
Ekki manöverierte sich mit Lifebeltsicherung an der Sicherungsleine (Band) zum Bug. Nachdem er die Reffleine klariert hatte
kletterte er mit einem Sicherungsring in der Hand zurück ins Cockpit.
Der Skipper fing plötzlich an Ekki heftig zu beschimpfen weil dieser nicht erklären konnte woher der Ring stammte.
Auf die beleidigende Ansprache unseres Skippers entgegnete ich :
“Du hättest Ekki die Füße küssen müssen, dass er den Ring gefunden hat“.
In Gedanken sah ich mich schon im Mast um oben die Beschläge der Wanten und Stage zu kontrollieren.
Zuerst verholte ich mich am Sicherungsband nach vorne zu Bug um dort nachzuschauen.
In der Tat fehlt unter der Refftrommel am Vorstagbolzen eine Sicherung.
Der Bolzen hat sich schon weit aus seiner Normallage heraus gearbeitet.
Nur mit Mühe konnte ich den Bolzen in seine richtige Lage zurücksetzen und den zurechtgebogenen Sicherungsring anbringen.
Normalerweise werden diese Bolzen mit einem aufgebogenen Splint und gegebenenfalls noch mit Klebeband gesichert.
Es ist fraglich wie lange der Bolzen bei diesem Seegang ohne eine Sicherung gehalten hätte.
Ein loses Vorstag mit Rollreffanlage und teilweise eingerollter Genua hätte bei diesem Seegang womöglich einen Mastverlust
zu Folge gehabt.
Wir waren in einem Seegebiet ohne Schifffahrtswege. Zwischen den Westmänner Inseln und den Faröern
ist uns kein einziges Schiff begegnet.
Eine UKW Funkverbindung, ohne Antenne bzw. mit Notantenne herzustellen, war fraglich.
Wir befanden uns nur kurz vor einem Seenotfall.
Manfred Iffland Nov. 2024